Viele Fragezeichen bei Phase 1

Daytrading

16.12.2019 – Special Report. Hurra – der offene Handelskrieg ist abgewendet. Washington und Peking haben am Freitag mitgeteilt, dass es einen Deal zu Phase I gibt. Die Verkündung beruhigte die Börse erst einmal. Doch einmal mehr bleiben wichtige Details im Unklaren. Was das Rückschlagspotenzial erhöht.

Das bringt Phase I

Besonders wichtig für China: Die USA hätten sich verpflichtet, bereits verhängte Zölle teilweise zurückzunehmen, sagte Chinas Vize-Handelsminister Wang Shouwen. Auf die meisten Produkte, die bisher mit einem Satz von 15 Prozent belegt waren, will Washington in Zukunft nur noch 7,5 Prozent erheben. Chinas Präsident Xi Jinping hatte Presseberichten zufolge einen solchen Schritt von Trump verlangt, um sein Gesicht zu wahren.
Aber: Schon seit längerem gelten Strafzölle von 25 Prozent für Importe aus China im Umfang von rund 250 Milliarden US-Dollar. Dabei bleibt es.
Die wichtigste Tatsache ist die, dass die USA die eigentlich seit gestern vorgesehenen neuen Strafzölle auf Güter im Wert von rund 150 Milliarden US-Dollar abgesagt haben. Von den neuen amerikanischen Strafzöllen wären erstmals fast alle Verbrauchsgüter betroffen gewesen – etwa Computer, Videospielkonsolen und iPhones, die in China gefertigt werden. Der Wähler hätte bei den Weihnachtseinkäufen bestimmt gemurrt. Damit wären auch auf fast alle Importe aus China im Wert von rund 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr, zusätzliche Zölle erhoben worden.

China will US-Agrargüter kaufen

Die Volksrepublik hatte ihrerseits damit gedroht, zusätzliche Abgaben auf Weizen-, Mais-, Flugzeug- und andere Importe aus den USA einzuführen. Das ist jetzt passé. Im Gegenzug erklärte sich das Reich der Mitte außerdem bereit, in großem Stil landwirtschaftliche Erzeugnisse, Industrieprodukte und Energieträger in den Vereinigten Staaten einzukaufen. Doch welche und in welcher Höhe?
Das Teil-Abkommen beinhaltet laut Vize-Handelsminister Wang zudem Kapitel über geistiges Eigentum, Technologietransfer, landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Wechselkurse. Will China etwa aufhören mit der Versenkung des Yuan?

Das sind die Mängel an Phase I

Goldman Sachs maulte, zwar zeigten die Signale mit der Senkung der Tariffs in die richtige Richtung; doch sei die jetzt vereinbarte Verringerung der Strafzölle nur die Hälfte dessen, was die Investmentbank erwartet hatte. Zudem dränge sich einmal mehr der Eindruck auf, dass technische und juristische Details noch immer nicht gefixt seien.

Tatsächlich wurde ein Text zu Phase 1 nicht veröffentlicht – es gibt ihn noch gar nicht. Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer sagte Journalisten in Washington, der Deal werde Anfang Januar auf ministerieller Ebene unterzeichnet. Zudem ist nicht bekannt, ob und wie Strafmechanismen greifen sollten, falls China wieder einmal trickst.

Weiter stellt sich die Frage, in welcher Höhe China Agro-Produkte einkaufen kann und wird. Trump erwartet, dass China 2020 Güter im Wert von 50 Milliarden Dollar importiert. Lighthizer sagte weiter, China habe versprochen, im ersten Jahr Güter im Wert von 40 Milliarden Dollar einzukaufen, und strenge sich an, dass es im Jahr darauf 50 Milliarden werden. Das wäre locker einer Vervier- respektive Verfünffachung. Doch der stellvertretende chinesische Wirtschaftsminister Wang Shouwen nannte keine konkrete Zahl. Deshalb bezweifelten schon die Analysten von Nomura das Erreichen der von den Amerikanern erwarteten Größenordnung. Tatsächlich bezifferten sich die chinesischen Einkäufe bei amerikanischen Farmern selbst im Hoch nur auf 25 Milliarden Dollar, wie das Schaubild des International Food Policy Research Institute (IFPRI) eindrucksvoll belegt.

USAgriculture

Das sind die Chancen

Das führt uns zu den kurz- und mittelfristigen Handelsszenarien für Trader und Investoren. Wenn wir alle anderen Faktoren außen vorlassen – etwa eine Kernschmelze im US-Repomarkt, ein Crash von Schuldenstaaten in der Eurozone oder eine globale Rezession, plus die Zinspolitik der Federal Reserve – dann wird der Handelsstreit wohl auf einen recht klaren Kurs einbiegen.
Alles in allem sieht das nach einem mageren Deal aus. Aber immerhin ist es einer, was die Bullen an der Börse erfreut. Somit bleibt uns die Hausse an der Wall Street wohl noch eine Weile erhalten. Vor allem, da dies der zweite Handelserfolg für Trump in kurzer Zeit ist: Gerade erst hatte er die Demokraten im US-Repräsentantenhaus dazu bewegt, dem reformierten Handelsabkommen USMCA zwischen den USA, Mexiko und Kanada zuzustimmen. Auch bleiben wegen der besseren Exportaussichten nun chinesische Indizes eher Investments auf der Long-Seite.

Gleiches gilt für den Yuan. Da US-Strafzölle wegfallen und sich China halbgar dazu verpflichtet hat, gibt es für Peking wenige Gründe, die chinesische Währung nach unten zu manipulieren und die heimische Mittelschicht zu verärgern.

Wenn Sie CFD handeln, sollten Sie zudem die Futures auf Schweinebäuche und Soja im Auge behalten. Ungeachtet der Frage, ob die 50 Milliarden erreicht werden, oder nicht spricht einiges für Zukäufe aus China. Denn die Schweinepest grassiert, die hohen Preise in China sind ein Faktor für einen verstärkten Import von Fleisch; und falls China die Nachzucht hochfährt, dürfte die Nachfrage nach Soja anziehen. Wenn China außerdem Energie in den USA einkauft, könnte dies für ein Investment in US-Shale-Driller sprechen.


Pump and Dump in Phase I

Das gerade beschriebene Szenario wird natürlich obsolet, falls der Deal doch noch platzt. Doch vor der Wahl darf die Börse nicht einbrechen – das würde Probleme für die Pensionsfonds bringen und damit die Wähler verärgern. Ergo ist die gleiche Hinhaltetaktik wie in den vergangenen Monaten angesagt. Erwarten Sie also immer wieder Erfolgsmeldungen aus Washington, vor allem nachdem die Börse zurückgesetzt hat. Unterbrochen jedoch von kritischen Trump-Tweets, wenn die Wall Street überschäumt und/oder die Chinesen nicht spuren, wie gewollt. Mit den weiter bestehenden Strafzöllen behalten die USA ja ein Druckmittel in der Hand – zudem könnten die USA die zur Seite gelegten Zölle wieder reaktivieren. Dieses von ZeroHedge netterweise zusammengestellte Muster konnten Sie zuletzt schon gut beobachten.

$SPX Chart

Schwierige Phase II

Trump will nun auch umgehend über Phase II verhandeln. Wir bezweifeln, dass es 2020 damit etwas wird. Denn hier geht es um den eigentlichen Kern im Handelskrieg: Das chinesische Geschäftsmodell des Copy and Paste – also um den Diebstahl geistigen Eigentums. Die staatlich verordnete oder geduldete Industriespionage chinesischer Firmen im Ausland wird Peking mit Sicherheit nicht einstellen. Gleiches gilt für Staatsaufträge, die nur an chinesische Firmen vergeben werden. Xi hat sich bisher strikt geweigert, das Subventionsprogramm zum Ausbau künftiger Schlüsseltechnologien zu stoppen.

Erst 2021 geht es ans Eingemachte

Wir vermuten, dass es erst nach der Präsidentschaftswahl und der hälftigen Neubesetzung des Kongresses wirklich rund geht. Da sich die Demokraten mit dem Impeachment-Theater gerade selbst vernichten dürften die Republikaner die Mehrheit im Kongress erringen. Und dann dürfte Trump mit der Rückendeckung des Kongresses die harten Bandagen gegen China anziehen.
Ab November 2020 könnte uns also eine heftige Baisse an der Wall Street und ergo auch im DAX drohen – und eine Hausse bei Gold, dem üblichen sicheren Hafen. Doch bis dahin ist es ja noch eine Weile hin. Die Bernstein-Bank wünscht erfolgreiche Trades und Investments – wir behalten die Angelegenheit für Sie im Auge!


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