Der Börse droht der größte Crash aller Zeiten

12.03.2020 – Special Report. Corona und kein Ende: Die Aktienmärkte stürzen weiter ab, die Anleger warten verzweifelt auf eine entschlossene Reaktion der Politik. Denn durch Covid-19 taumelt die Welt vielleicht in eine totale Deflation. Die aktuelle Baisse könnte schlimmer werden als der Große Crash von 1929. Die Vehemenz und das Tempo signalisieren, dass wir es derzeit mit etwas ganz Besonderem zu tun haben.

Immer neue Hiobsbotschaften

Schlimmer geht’s immer: US-Präsident Donald Trump hat alle Flüge aus Europa in die USA für 30 Tage gecancelt. Konkrete Aussagen zu einem möglichen Hilfsprogramm machte er nicht. Die Futures tauchten weiter ab, nachdem die Wall Street zuvor sowieso schon in einen Tiefflug eingebogen war. Und gestern hat endlich Angela Merkel (CDU) zum Volk gesprochen. 60 bis 70 Prozent aller Menschen in Deutschland könnten sich mit Corona anstecken. Außer dem Appell zur Solidarität auch hier kein massiver Stimulus.

Wir hatten schon vor zwei Wochen von einem ähnlichen Tenor im „Atlantic“ berichtet. Dort äußerte Marc Lipsitch, Profossor für Epidemologie in Harvard, Corona „will ultimately not be containable” – der Virus könne also nicht eingedämmt werden. In den kommenden Jahren würden sich 40 bis 70 Prozent der Weltbevölkerung mit Covid-19 anstecken. Der US-Fernsehsender NBC berichtete unterdessen, Brian Monahan, verantwortlicher Arzt für den Kongress und den U.S. Supreme Court, habe hinter verschlossenen Türen Klartext gesprochen: Er gehe von 70 bis 150 Millionen Menschen in den USA aus, die sich mit Covid-19 infizieren. Lauter Hammerschläge also für die Börse.

Das Undenkbare denken

Sollten sich die Vermutungen zu den Infektionszahlen bewahrheiten und kein Impfstoff gefunden werden, sollten die Menschen nicht natürliche Resistenzen entwickeln und Corona zu einer kleinen, bösartigen Grippe schrumpfen, dann können wir von einem monatelangen, wenn nicht jahrelangen Schock für die Weltwirtschaft ausgehen. Somit ist es Zeit, das Undenkbare zu denken. Wir gestatten uns einige Gedankenspiele zu den Auswirkungen auf die Börse. Chartanalyse ersparen wir uns, in Zeiten der Panik ist sie sowieso wirkungslos. Klar ist nur, dass es auf dem Weg nach unten immer wieder kleinere Hoffnungsrallys geben wird. Und irgendwann werden auch all die vielen inzwischen gerissenen Kurslücken wieder geschlossen.

Best Case: Kurze aber heftige Rezession

Die meisten Analysten wagen es aktuell nur, sich eine kurze Rezession vorzustellen. Kein Wunder, viele kennen nur den gerade beendeten elf Jahre andauernden Bull Run im Dow und sehen jede Baisse als relativ schnell beendete Kurskorrektur.

JPMorgan hat jüngst sein Jahresend-Ziel für den S&P 500 von 3.400 auf rund 2.300 gekappt. Goldman Sachs unter Chief Equity Strategist David Kostin erwartet nun zur Jahresmitte ein Kursziel von 2.450 Zählern für den S&P 500. Immerhin könne der Index zum Jahresende potentiell wieder auf 3.200 anziehen. Chef-Ökonom Torsten Slok sagte MarketWatch, es sei noch zu früh, um wieder in Aktien einzusteigen, da die entschlossene Reaktion der Politik fehlte. Firmen oder Verbraucher bräuchten Geld, um es auszugeben.

Medium Case: Verlängerte Agonie

Bleibt zu bezweifeln, dass bei einer Pandemie die Wirtschaft schnell wieder anspringt – das könnte ein bis zwei Jahre dauern. Dazu noch eine weitere interessante Wortmeldung aus dem weitverzweigten Goldman-Universum. Ein anderes Team, diesmal von Chief Global Equity Strategist Peter Oppenheimer, schaute sich alle Bären-Märkte seit 1835 an. Das Fazit: Eine heftige Baisse kappt die Kurse zwischen 29 und 57 Prozent.

Zunächst unterschied die Goldmann-Truppe zwischen „event-driven”, das ist eine Baisse, die durch äußere Einflüsse ausgelöst wird, etwa durch einen Krieg. Solche Abstürze kosten im Schnitt 29 Prozent der Rendite. Immerhin erholten sich solche von einem exogenen Schock gebeutelte Börsen innerhalb von 15 Monaten.

Absturz bis zu 57 Prozent möglich

Bei zyklischen Baissen lag das Minus im Schnitt immerhin noch bei 31 Prozent, hieß es in der Goldman-Studie weiter. Wir meinen: Dieser Fall trifft aktuell teilweise zu, denn die Goldmänner definierten dies als Ende eines wirtschaftlichen Zyklus, Rezession und Einbruch in den Profiten. Nur die steigenden Zinsen passen nicht.

Doch es geht noch schlimmer: Laut Goldmann sind strukturelle Bären-Märkte im Schnitt um 57 Prozent abgetaucht. Die Investmentbanker sehen solche Strukturkrisen unter anderem gekennzeichnet durch finanzielle Blasen, oft gefolgt von Preisschocks wie einer Deflation. Wir sehen hier durchaus Parallelen zur aktuellen Lage.

Goldmann Sachs selbst legte sich nicht fest, wo Covid-19 einzuordnen ist – denn Corona sei ein Sonderfall. Goldman-Analyst Oppenheimer kommentierte: „We’ve never before entered a bear market because of a viral outbreak.“ Und diesmal sei es nicht klar, ob die Gegenmaßnahmen der Geldpolitik greifen würden. Denn Zinsschnitte könnten in einer Welt aus Angst nicht greifen; die Konsumenten seien immerhin gezwungen zuhause zu bleiben.

Worst Case: 1929 revisited – Dow gesiebtelt

Wir legen noch einen drauf. Im schlimmsten Fall erleben wir wohl Folgendes: Das Virus breitet sich immer weiter aus, die Sterblichkeit zieht drastisch an. Die Menschen schließen sich wegen der neuen Pest zuhause ein. Die Regierungen reagieren gar nicht oder zu zaghaft. Die Folge wäre eine jahrelange

globale Rezession, die sich zu einem nie dagewesenen deflationären Schock auswächst. Etwa so: Banken-Krise 2008 plus Weltwirtschaftskrise plus nie gekannte Mega-Epidemie. Inklusive einem möglichen herben politischen Umbruch plus zwischenzeitlicher Erosion der öffentlichen Ordnung. Kurz: Ein kompletter Zusammenbruch in Politik und Wirtschaft.


Quelle: Finanzmakrtwelt.de

Am ehesten vergleichbar zu diesem Worst-Case-Szenario erscheint uns die große Depression 1929. Vom Hoch bei über 350 Zählern vor dem Schwarzen Freitag im Oktober 1929 hatte sich der Dow Jones bis Ende 1932 locker gesiebtelt. Erst mehr als 20 Jahre später erreichte der US-Leitindex wieder seine alten Höhen.

Übertragen auf den heutigen Dow und sein Hoch bei rund 30.000 Zählern wäre dies also ein Sinkflug bis auf gut 4.000 Zähler. Es könnte auch heftiger kommen: Denn anders als 1929 kommen als Belastungsfaktoren für die Volkswirtschaften heutzutage noch die Auswirkungen der Krankheit auf das Gesundheits- und Sozialsystem vieler Staaten hinzu. Wie auch immer: In diesem Fall dürfte die Börse über mehrere Jahre gen Süden drehen. Wenn der Bullenmarkt über eine Dekade andauerte – warum sollten die Bären nicht genauso lange herrschen? Nur gut, dass sie auch short gehen können, wenn Sie CFD handeln.

Ein New Deal muss her

Unser Fazit: Gegen einen potenziell gigantischen Systemschock wird nur ein gigantischer New Deal helfen – am besten koordiniert von den G20-Staaten. Massive Konjunkturprogramme plus staatliche Stütze, vielleicht kombiniert mit Helicopter Money.

In einem zornigen Beitrag fasste das gerade Michael Every von der Rabobank ähnlich zusammen. Zunächst äußerte er Kritik am Ausbleiben großer Stimuli in den USA. Dann nannte er zwei historische Beispiele, um die aktuelle Handlungsverweigerung der Politik anzuprangern. Zunächst den „Great Stink“ von 1858 in London. Erst in einem heißen Sommer, als der Gestank der zur Kloake verkommenen Themse unerträglich wurde, wurde die Administration aktiv – und London erhielt ein modernes Abwasser-System, das bis heute funktioniert. Zuvor hatte die Politik wegen der Wochenmärkte und der Beeinträchtigung der Geschäfte den Mega-Bau immer wieder verzögert. Immerhin handelten die Briten irgendwann. In der Sowjetunion der 70er Jahre dagegen verschleppte die kommunistische Gerontokratie überfällige Reformen – bis zum Kollaps.

Und dann verwies der Rabobank-Experte immerhin lobend auf das heutige Großbritannien. Er nannte Rishi Sunak, den jugendlichen und tatkräftigen britischen Chancellor. Der werde wohl Presseberichten zufolge in Kürze ein Stimulus-Paket über fünf Jahre in Höhe von 600 Milliarden Pfund vorstellen – das höchste Level an Staatsgeld seit 1955. Und schon sei das starre fiskalische Korsett Geschichte: „As such, out the window go the UK’s Fiscal Rules.“ Das wäre doch mal wieder eine echte Entlastung für die belagerten Bullen an der Börse. Die Bernstein-Bank wünscht erfolgreiche Trades!


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