Die Berichtssaison des Grauens beginnt

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14.04.2020 –Special Report. Die Wall Street hat zu Ostern eine nette Bärenmarkt-Rally vorgelegt. Beherzte Stimuli der US-Regierung und frisches Geld von der Fed hatten die Kurse gestützt. Viel wird nun von der Berichtssaison abhängen, die heute mit JPMorgan Chase beginnt: Die Frage ist, ob die wahrscheinlich horrenden Zahlen und der wohl getrübte Ausblick die wieder optimistischere Börsen-Bewertung tragen. Doch leider wird die Sache diesmal besonders schwierig: Unsicherheit dürfte eine neue Rückstellungsregel in der Bilanzierung der Banken bringen.

Bear-Market-Rally

Welch ein Rebound: Zu Ostern markierte der Dow Jones mit knapp 24.000 Zählern ziemlich genau eine 50-Prozent-Erholung seit dem Absturz aus dem Olymp bei rund 29.600 Punkten bis in den Hades bei rund 18.600 Stellen. Der gestrige Rücksetzer an Ostermontag war auch der Frage geschuldet, ob die Unternehmenszahlen diese Aufholjagd rechtfertigen. Ab heute erhalten wir die Antwort. Das Blog ZeroHedge warnte, die Aktien im S&P 500 seien zuletzt stärker überbewertet gewesen, als im Februar-Hoch. Das NTM im Schaubild steht für „next twelve months“.

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Grausige Unternehmenszahlen erwartet

Viel wird jetzt von der anlaufenden Berichtssaison abhängen. Dass die Zahlen und Ausblicke schlecht ausfallen, gilt als ausgemacht. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. So vermuten die Analysten der DZ Bank, dass die Gewinne der 30 im DAX notierten Konzerne in diesem Jahr um 50 Prozent und mehr einbrechen könnten – und es könnte vereinzelt um bis zu 80 Prozent nach unten gehen. Das wäre weit mehr als in früheren Rezessionen, „als die Gewinne im Durchschnitt um 35 Prozent fielen.“ Damit seien jederzeit niedrigere Kurse als heute möglich.
Doch wie schlecht genau wird das Jahr werden? Und wie schlimm das kommende Jahr? Ist die künftige Bewertung der Börse angesichts der zu erwartenden horrenden Zahlen gerechtfertigt? Eine erste Antwort erhalten wir heute vor Handelsbeginn an der Wall Street mit JP Morgan Chase. Kurz darauf folgen Schwergewichte wie Wells Fargo, Johnson&Johnson, Goldman Sachs, Bank of America und die Citigroup.

Rätselraten mit neuer Bilanzierung

Zum Corona-Übel gesellt sich ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Börse: Die Banken müssen laut Reuters gemäß den seit 01. Januar geltenden neuen Bilanzierungsregeln vorsorglich Rückstellungen für die Zukunft bilden. Ausgerechnet im ersten Corona-Quartal wird diese Regel nun angewendet. Achten Sie also bei regelmäßigen Marktupdates auf den Begriff CECL, das steht für Current Expected Credit Losses – einige Broker werden auch von „Cecil“ sprechen.
Leider ist mit dieser willkürlichen Regel völlig unklar, ob ein Kreditinstitut auf lauter faulen Krediten sitzt, oder ob es nur besonders vorsichtig ist. Die Frage aller Fragen lautet: Wie viele Kredite werden bei welcher Bank wegen Corona platzen? Gerard Cassidy, Analyst bei RBC, urteilte, Investoren wollten eine Rückversicherung dafür, dass „this downturn for the banks will only be an earnings issue and not a balance sheet issue similar to the 2008-2009 financial crisis.“ Vorige Woche senkte Goldman schon einmal vorsorglich die Gewinnschätzungen für alle Banken in 2020 um 40 Prozent. Das könnte somit im Markt die Messlatte für Schock oder Erleichterung werden.
Und somit wird das Rätselraten beginnen, wie tief sich die Rezession in den Hypothekenmarkt, in die Geschäfte der Unternehmen und in den Immobilienmarkt gegraben hat – mit potenziellen Folgen für die Börse.

Goldman ist jetzt bullish

Dennoch legte Goldman Sachs eine interessante bullishe Kehrtwende hin. Analyst David Kostin schrieb gerade, die Kombination von nie gesehener Unterstützung aus der Politik und die abflachende Virus-Kurve hätten das Abwärtsrisiko für die US-Wirtschaft und den Finanzmarkt dramatisch reduziert. Das frühere kurzfristige Ziel von 2.000 Zählern im S&P 500 sei nicht länger wahrscheinlich, das Ziel zum Jahresende bleibe 3.000 Punkte. Für Goldman werden die Zahlen aus dem ersten Quartal kaum einen Einfluss auf die Börse haben – die meisten Kunden hätten 2020 sowieso schon abgehakt. Der Fokus liege auf dem Ausblick für 2021. Ein Risiko gebe es jedoch: Eine zweite Infektionswelle in den USA, sobald die Wirtschaft wieder hochgefahren werde.

Don‘t fight the Fed

Einen stabilisierenden Faktor gibt es natürlich: Die Fed steht bereit. Vorige Woche schob sie den Markt mit der Ankündigung weiterer Notfallhilfen im Volumen von 2,3 Billionen Dollar an. Das neue Maßnahmenpaket soll lokale Regierungen sowie kleine und mittelgroße Unternehmen stützen. Über die Geschäftsbanken sollen unter anderem vierjährige Kredite für Firmen mit bis zu 10.000 Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. Zudem will die Fed Anleihen von Bundesstaaten und bevölkerungsreichen Counties und Städten kaufen, um ihnen mit frischem Cash unter die Arme zu greifen. Auf dem Parkett in New York gilt es als ausgemachte Sache, dass die Fed einen weiteren Börsen-Crash nicht zulassen wird.
Passend dazu eine Einschätzung von Eric Peters, Chief Investment Officer von One River Asset Management: Ohne die in atemberaubendem Tempo durchgezogenen Hilfsprogramme der Fed und des US-Finanzamtes wären die Aktienkurse wohl 50 bis 80 Prozent niedriger. Doch dann schränkte er warnend ein, nun drohe eine Arbeitslosigkeit von 15 bis 25 Prozent, Defizite und Schulden wie zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges – und laut Ärzten vielleicht 100.000 bis 240.000 Tote in den USA.

„Do or Die“ in Sachen Medizin

Überhaupt ist die Frage aller Fragen für die Börse eine medizinische: Wird es bald einen Impfstoff geben? Oder werden die Menschen Resistenzen entwickeln? Das wären die bullishen Szenarien mit denen wir die Corona-Krise bald abhaken könnten. Oder sind einmal Erkrankte so sehr vom Wüten des Corona-Virus geschwächt, dass ihre Gesundheit stark geschädigt ist? Noch schlimmer: Ist nach einer Ausheilung von Covid-19 eine erneute Erkrankung möglich, wie dies aktuell in Südkorea bei 91 offiziell genesenen Patienten der Fall zu sein scheint? Das wären die bearishen Fälle, die den Markt noch einmal kräftig auf die Bretter schicken könnten.
Bleibt eine Anmerkung als Fazit von unserer Seite: Falls die Medizin das Virus besiegt, dürften nicht nur Aktien in dieser gigantischen Inflationierung des Finanzmarktes an Wert gewinnen. Nicht nur die USA, sondern auch Europa und China haben ja Konjunktur- und Kreditprogramme aufgelegt. Profitieren dürfte vor allem Gold, das zuletzt bei über 1.700 Dollar je Unze Anlauf nahm auf das Allzeithoch bei rund 1.900 Dollar je Feinunze. Die Bernstein Bank wünscht uns allen eine schnelle Rückkehr zur Normalität – und Ihnen erfolgreiche Trades und Investments!


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