05.06.2019 – Special Report. Legen die USA und China doch noch ihren Zollstreit bei? Der Finanzmarkt war zuletzt wieder optimistisch. Doch an diesem Punkt waren wir schon mal – ein Handelskrieg ist weiterhin möglich. Wer gewinnt, wer verliert? Warten wir es ab. Klar ist, dass sich beiden Seiten schon jetzt nach Alternativen umschauen. Wir analysieren für weitsichtige Investoren die ersten Signale in dieser Richtung. Und beantworten die Vermögensfrage, wer von der Auseinandersetzung profitieren könnte.
Der Kreml reibt sich die Hände
Der wahrscheinlich größte Gewinner eines etwaigen Konflikts ist Russland. Schon seit Jahren unterhält die russische Föderation enge Wirtschaftsbeziehungen zu China. Sibirien beispielsweise führt massenhaft Holz in die Volksrepublik aus, Erdöl und Gas sind sowieso Exportschlager. In Russisch-Fernost leben hunderttausende Chinesen. Die chinesische Community an den Universitäten und in der Wirtschaft in Sankt-Petersburg oder Moskau ist nicht zu übersehen. Sie ist zwar noch nicht so stark wie in den USA; doch dort sind vor allem diejenigen zu finden, die vor der kommunistischen Diktatur geflohen sind. In Russland dagegen sitzen die Linientreuen mit Verbindung zur chinesischen Führung. Ergo boomt das Geschäft.
Schon jetzt ist China laut Präsident Wladimir Putin für Russland der Handelspartner Nummer eins – im vorigen Jahr zog der bilaterale Handel um 25 Prozent auf 108 Milliarden Dollar an und schlug damit alle Erwartungen. Nur ein Beispiel für die zunehmend engeren Verbindungen der vergangenen Jahre ist das riesige Immobilienprojekt „Baltische Perle“ in Sankt-Petersburg.
Gerade hat ein chinesischer Handelsfunktionär vorgeschlagen, dass heimische Unternehmen die Produktion von China nach Russland verlagern. Laut dem Finanzblog „ZeroHedge“ sagte He Zhenwei, der Generalsekretär der China Overseas Development Association (CODA), viele kleine und mittlere, exportorientierte chinesische Firmen stünden nun vor Problemen. Sie sollten nach Russland gehen – und ihre dort produzierten Güter in die USA oder auch nach Europa ausführen.
Schauen Sie sich also die Moskauer Börse genauer an. Wenn Peking Milliarden Yuan/Renminbi in Russland investiert, dann gewinnt der dortige Aktienmarkt. Vor allem Konsumgüter-Hersteller und Lebensmittelkonzerne dürften vom Zustrom kaufkräftiger chinesischer Facharbeiter profitieren; dito Baukonzerne, da die Chinesen wahrscheinlich in eigens errichteten Vorstädten untergebracht werden und unter sich bleiben. Auch der Rubel ist für langfristig orientierte CFD-Trader eine Long-Überlegung wert. So könnte Moskau vorgehen: Yuan verkaufen, was China sowieso will, um die eigene Währung zu schwächen; Rubel einsammeln, um der russischen Mittelschicht mehr Kaufkraft zu verschaffen.
Heißhunger auf Gold
Russland und China haben eines gemeinsam: Sie wollen den Dollar brechen und die USA finanziell foltern. Während Moskau schon einen Großteil seines Bestandes an US-Staatsanleihen verkauft hat, sitzt Peking noch immer auf einem Berg von Treasuries – über 1.000 Milliarden Dollar waren es zuletzt. US-Staatsanleihen wären also eventuell ein Short-Investment. China könnte mit dem Verkauf der Bonds zudem in einem Handelskrieg die US-Wirtschaft in Turbulenzen stürzen. Solche semi-offiziellen Vorschläge kursierten in den vergangenen Wochen. Doch wohin mit den erlösten Greenbacks? Ein möglicher Profiteur wäre Gold. In der Volksrepublik ist das gelbe Metall eine beliebte Reservewährung, es gibt riesige Shops, in denen sich besorgte Familien mit Statuen aus Gold oder Barren eindecken.
Chinesisches Betongold im Sonderangebot
Weiter sollten sich langfristig denkende Anleger die Aktien gebeutelter chinesischer Bauträger genauer anschauen. Denn wahrscheinlich muss die Volksrepublik sie retten. Mit den Dollars aus den US-Treasuries könnte der chinesische Staat von den Developern günstige Immobilienprojekte aufkaufen und später vermieten oder bei einer Marktentspannung wieder verkaufen. China hat nämlich ein Leerstandsproblem: Es gibt riesige Geisterstädte, überall sind neue Wohnprojekte und Shopping Malls aus dem Boden gestampft worden, die leer stehen. China will Ackerland gewinnen und rund 300 Millionen Menschen in die Städte umsiedeln. Nur leider sind die Neubauten für die Bauern zu teuer. Doch ein Immobilien-Crash würde viele Chinesen aus der Mittelschicht ruinieren, die wegen der Inflation in Immobilien investiert hatten. Das würde politisch gefährlich werden und darf daher nicht passieren.
Schlachtfeld Seltene Erden
Bleibt der Blick auf Metalle und Mineralien wie Yttrium, Tantal, etc. Die 17 Rohstoffe dieser Gruppe werden etwa in der Herstellung von Computer-Bildschirmen, Raketen-Systemen oder Smartphones eingesetzt. In der chinesischen Gefechtsfeldrhetorik der vergangenen Wochen kristallisierte sich auch die Möglichkeit eines Boykotts der USA bei Seltenen Erden als nukleare Option heraus.
Die USA reagieren: US-Handelsminister Wilbur Ross erklärte gerade, sein Land werde alles tun, um nicht vom Angebot abgeschnitten zu werden. Sein Ministerium veröffentlichte gestern einen Bericht, den US-Präsident Donald Trump schon im Dezember 2017 in Auftrag gegeben hatte – offenbar hatte er die chinesische Reaktion vorausgesehen, es gab übrigens 2010 schon einmal einen Boykott. China stellt derzeit rund 78 Prozent der amerikanischen Importe. Ironie der Geschichte: Bis in die 80er Jahre waren die USA der weltweit führende Hersteller. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg empfahl das Commerce Department eine Reihe von Schritten, darunter die verstärkte Zuteilung von Schürfrechten. Zudem dürften eingemottete Minen reaktiviert werden: Laut Daten des U.S. Geological Service liegen die Reserven beim 93fachen der heimischen Produktion.
Für Anleger heißt dies Folgendes: Wenn es den USA gelingt, die heimische Produktion hochzufahren, dann läuft ein Boykott ins Leere – und chinesische Rare-Earth-Aktien dürften abstürzen. Gleiches gilt für die Tatsache, dass ausländische Anbieter schnell in die Lücke springen. Umgekehrt würden Firmen, die US-Minen reaktivieren dürfen, gewinnen. Behalten Sie diesen Markt also unbedingt im Auge!
Fazit: Noch weiß niemand, ob ein Handelskrieg entbrennt, oder nicht. Halten Sie sich auf jeden Fall bereit. Die Bernstein-Bank wünscht Ihnen erfolgreiche Investments!
Wichtige Hinweise:
Der Inhalt dieser Publikation dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Es handelt sich in diesem Kontext weder um eine individuelle Anlageempfehlung oder -beratung, noch um ein Angebot zum Erwerb oder der Veräußerung von Wertpapieren oder anderen Finanzprodukten. Der betreffende Inhalt sowie sämtliche enthaltenen Informationen ersetzen in keiner Weise eine individuelle anleger- bzw. anlagegerechte Beratung. Jegliche Darstellungen oder Angaben zu gegenwertigen oder vergangenen Wertentwicklungen der betreffenden Basiswerte erlauben keine verlässliche Prognose oder Indikation für die Zukunft. Sämtliche aufgeführte Informationen und Daten dieser Publikation basieren auf zuverlässigen Quellen. Die Bernstein Bank übernimmt jedoch keine Gewähr bezüglich der Aktualität, Korrektheit und Vollständigkeit der in dieser Veröffentlichung aufgeführten Informationen und Daten. An den Finanzmärkten gehandelte Wertpapiere unterliegen Kursschwankungen. Ein Contract for Difference (CFD) stellt darüber hinaus ein Finanzinstrument mit Hebelwirkung dar. Der CFD-Handel beinhaltet vor diesem Hintergrund ein hohes Risiko bis zum Totalverlust und ist damit unter Umständen nicht für jeden Anleger geeignet. Stellen Sie deshalb sicher, dass Sie alle korrelierenden Risiken vollständig verstanden haben. Lassen Sie sich gegebenenfalls von unabhängiger Seite beraten.