30.03.2021 –Special Report. Jetzt wird es spannend: Der Hedge Fonds Archegos in den USA ist umgekippt. Seine Geldgeber haben in einem Firebrand-Sale enorme Aktienpositionen liquidiert. Die Frage ist nun, ob mit dem Exitus des Fonds die Schieflage beendet ist. Oder ob wir eine verheerende Kettenreaktion erleben.
Billiggeld führt zu Schieflagen
Told you so: Seit geraumer Zeit warnen wir an dieser Stelle, dass das billige Notenbank-Geld überall auf der Welt verstärkt in Aktien fließt, dass die Risikoneigung zunimmt und dass sich Blasen bilden. Zudem strömt eine Menge Kapital zu Adressen, die vielleicht doch nicht so solide sind, wie sie aussehen. Gerade bewahrheitet sich dieses pessimistische Szenario. Chinesische Hightech-Aktien stürzten ab und auch amerikanische Medien-Titel.
Archegos geht unter
Archegos ist Geschichte: Die Website ist abgeschaltet, die „Financial Times“ erreichte niemanden dort. Sowohl Bloomberg als auch die FT bestätigten, dass es Archegos war, der Ende voriger Woche bei einigen Aktien einen Ausverkauf auslöste. Demnach sorgten die Ereignisse für Unsicherheit bei Brokern – diese rätselten, welche Positionen wohl noch verscherbelt werden. Hinter Archegos Capital Management steckt der Bill Hwang, der schon einmal traurige Berühmtheit erlangte. Sein Hedge Fonds Tiger Asia gab seinen Investoren im Jahr 2012 ihr Geld zurück, als er Betrug mit chinesischen Bankaktien einräumte. Er zahlte eine Strafe von 44 Millionen Dollar und wurde von der Börse in Hong Kong verbannt.
Zum Abschuss freigegeben
Der Auslöser für das Ende von Archegos: ViacomCBS führte gerade eine Kapitalerhöhung durch und gab frische Aktien im Wert von 3 Milliarden Dollar aus. Vorige Woche verlor Viacom deshalb in nur vier Tagen rund 50 Prozent an Wert. Dies habe eine Kaskade von Margin Calls ausgelöst, meldete die „Financial Times“. Die finanzierenden Banken warfen Blöcke zu Discount-Preisen auf den Markt: Morgan Stanley verhökerte Farfetch, Discovery, Baidu und GSX Techedu im Wert von 13 Milliarden Dollar. Und Goldman Sachs stellte 6,6 Milliarden Dollar an Baidu, Tencent Music Entertainment und Vipshop Holdings in den Ausverkauf. Ferner wurden 3,9 Milliarden Dollar an ViacomCBS und iQiyi verschleudert, wie Goldman an seine Kunden geschrieben habe.
Vielleicht nur Gewinnmitnahmen
Immerhin: Seit Anfang des Jahres hatte die Viacom-Aktie im Hoch um rund 170 Prozent zugelegt. Das Vorhaben des Konzerns, im Zuge der allgemeinen Zuschauer-Erosion bei mehr Content auf die Bezahlplattform Paramount + zu schieben, stieß bei Analysten zunehmend auf Zweifel – in diesem Jahr gab es schon elf Herabstufungen. Damit stellt sich die Frage, ob das nur Gewinnmitnahmen waren: Immerhin habe sich Viacom seit vorigen Oktober vervierfacht, urteilte Analyst Michael Hewson von CMC Markets am gestrigen Sonntag. Vielleicht sehen wir also eine nette Erholungsrally nach dem Blutbad.
Vielleicht auch eine Sektor-Rotation
Oder aber wir erleben eine größere Sektor-Rotation, die der Wall Street und vor allem Big Tech ganz gehörig zusetzen kann: Raus aus den gut gelaufenen Corona-Lockdown-Trades, rein in die hoffentlich wieder anspringende Old Economy. So urteilte Barclays-Stratege Emmanuel Cau: „It may have hurt a number of funds that were overly exposed to these trades.“
Wirkungstreffer für Großbanken
Das sind die Lehren aus der Affäre: Erstens werden bei einem drohenden Crash die Darlings aus der vorigen Hausse abgestoßen. Was viele Kleinanleger ruinieren dürfte, die auf Empfehlung von Geschnatter in den Social Media eingestiegen waren. So lässt die Blase Luft ab.
Zweitens verursacht eine Schieflage bei einem großen Fonds eine Kettenreaktion. Die Frage ist, ob bald auch eine Bank umkippt. Dann werden wir einen veritablen Crash erleben, der sich in den Gesamtmarkt frisst. Und siehe da: Wie das „Wall Street Journal“ am heutigen Montag berichtete, warnten die beiden Großbanken Credit Suisse und Nomura Holdings, dass ihnen massive Verluste aus Deals mit einem US-Kunden drohen. Nomura nannte rund 2 Milliarden Dollar. Beide Aktien rutschten kräftig gen Süden. Beide nannten keinen Namen. Doch das WSJ stellte natürlich umgehend die Querverbindung zu Archegos Capital Management her.
Wir sind gespannt, ob das nur ein singuläres Event war, oder ob mit Archegos der erste Domino-Stein in der Reihe gekippt ist – quasi der erste Kanarienvogel in der Mine. Und ob der Markt nun aus Vorsicht vor weiteren Notverkäufen bearish reagiert. Möglich sind auch bullishe Stützkäufe von eigenen Aktien durch die betroffenen Firmen. Die Bernstein-Bank behält die Angelegenheit für Sie im Auge – wir wünschen erfolgreiche Trades und Investments!
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