16.08.2019 – Special Report. Der Goldpreis hat zuletzt kräftig angezogen und ein Sechsjahreshoch markiert. Auch Silber war wieder stärker gefragt. Kein Wunder: In den neu aufgekeimten Rezessionsängsten reimen sich viele Investoren zusammen, dass die Zentralbanken der Welt die Wirtschaft weiter mit billigem Geld fluten. Nullzinsen und steigende Inflation sind das perfekte Gebräu für ein Erstarken der Edelmetalle. Doch nun läuft ein europäisches Abkommen aus, das Goldverkäufe limitiert. Wir beleuchten das Für und Wider in Sachen Gold.
Niedrigzins schiebt Goldpreis an
Der Goldpreis hielt sich zuletzt an der magischen Marke von 1.500 Dollar je Unze. Zuletzt war Gold so teuer wie seit 2013 nicht mehr.
Vor allem die Ankündigung einer Lockerung der Geldpolitik von Fed-Chef Jerome Powell Anfang Juni hatte den Goldpreis nach oben geschickt. Wie der Blog GoldCore richtig bemerkte, sorgte auch US-Präsident Donald Trump für Kauflaune beim gelben Metall. So nannte Trump die Federal Reserve „ahnungslos“ und „verrückt“ und forderte einmal mehr niedrigere Zinsen. Auch mit seinem Junktim der Proteste in Hongkong zum Zollstreit mit China hatte der Chef des Weißen Hauses die Nachfrage angekurbelt. Denn wenn ein Handelskrieg tobt, leidet die Wirtschaft.
Rezessionsangst überall
So schrillte gerade die Alarmglocke in Sachen Rezessionsangst. Die Renditen von lang laufenden US-Bonds fielen kurzzeitig unter jene von kurzfristigen Anleihen. Erstmals seit der Finanzkrise 2007 sah der Markt eine inverse Zinskurve. In einem drohenden Handelskrieg mit den USA würde auch China die heimische Wirtschaft durch vermehrte Staatsaufträge oder Subventionen stützen müssen. Oder Peking druckt einfach mehr Yuan, um die Beamten zu bezahlen. Die Folge ist eine steigende Inflation. Damit würden aber die Rücklagen der neuen chinesischen Mittelschicht entwertet – die Führung fürchtet Unruhen. Ergo muss Peking Sachwerte anbieten, um Liquidität aus dem Markt zu saugen. Bleiben Immobilien und Gold. Die Nachfrage nach Gold im Privatmarkt ist in der Volksrepublik ungebrochen stark, dort gibt es riesige Juweliere, die nur Gold verkaufen – Goldmünzen, Barren oder Statuen aus Gold.
China schränkt Goldimport ein
Gerade hat Reuters unter Berufung auf anonyme Quellen aus dem Westen gemeldet, dass China den Import von Gold einschränkt. Importbanken bekommen monatliche Einfuhrquoten von der chinesischen Zentralbank erteilt. Diese sind nun beschnitten oder über mehrere Montage hinweg gar nicht erst erteilt worden. Im Juni und Juli sei „fast nichts“ von den Banken importiert worden, hieß es.
Wahrscheinlich will die chinesische Notenbank ihr eigenes Gold verkaufen, um Yuan aus dem Binnenmarkt zu ziehen. Gleichzeitig wird mit der Einschränkung die heimische Währung gestützt, weil keine Yuan in Dollar und dann in ausländisches Gold getauscht werden.
Europa vor dem Abschwung
Auch in Europa herrscht die Angst vor dem Abschwung. Jüngst warb der Chef der finnischen Notenbank für eine spürbare Lockerung der EZB-Geldpolitik: „Es ist wichtig, dass wir im September ein umfassendes und wirksames Paket vorlegen“, sagte Rehn dem „Wall Street Journal“. Im Hinblick auf die Finanzmärkte sei es zudem besser, die Erwartungen zu übertreffen als zu enttäuschen.
Goldabkommen CBGA läuft aus
Ist es angesichts der Inflationierungsankündigung Zufall, dass just jetzt Europa das Thema Gold in den Fokus rückt? Offen ist die Frage, ob als Käufer oder Verkäufer. Entschieden ist die Tatsache, dass das Central Bank Gold Agreement (CBGA) Ende September ausläuft. Die Übereinkunft limitierte die Menge an Gold, welche die Europäer verkaufen konnten, es war im September 1999 geschlossen und in einem Abstand von rund fünf Jahren immer wieder verlängert worden. Am 26. Juli nun teilten die Europäische Zentralbank (EZB), die schwedische Reichsbank und die Schweizer Nationalbank zeitgleich mit, dass es kein fünftes CBGA geben werde. Denn der Markt habe sich in Sachen Reife, Liquidität und Investorenbasis verändert, hieß es kryptisch.
Wird Europa nun Gold kaufen oder verkaufen?
Wird also Europa in großem Stil Edelmetall auf den Markt werfen, um vom hohen Preis zu profitieren – und damit vielleicht Konjunkturprogramme finanzieren? Oder ist das Ende des Abkommens der Freibrief dafür, dass jede Notenbank handelt, wie sie will? Und sich notfalls mit dem verstärkten Einkauf von Gold gegen die Geldentwertung schützt?
Der Goldhändler BullionStar sieht in seinem Blog die Mitteilung zum Aus des CBGA als Bestätigung dafür, dass die Europäer mit dem Kauf von Gold beginnen werden; leider belegt er diese eigennützige These nicht. Laut BullionStar haben sich die europäischen Zentralbanken in der Dekade von 1999 bis 2019 als Goldkäufer zurückgehalten. Dagegen kauften Russland, China, Indien, die Türkei und Kasachstan kräftig zu. Der Interessensverband World Gold Council bestätigte, dass Käufe von Zentralbanken und eine gesunde Nachfrage von Indexfonds im ersten Halbjahr die treibenden Kräfte hinter der Goldnachfrage gewesen seien.
Long: Gold als Inflationsschwamm
Ein mögliches Fazit aus alledem: Gold ist vor allem für die Notenbanken der aufstrebenden Länder das Mittel der Wahl, um die Folgen des Inflationierungskurses abzumildern. In Indien war ab 1990 der Besitz von Gold wieder erlaubt, in China ab 2003. Genau in den Jahren also, als die beiden Länder nach dem Fall des Kommunismus einen ungeahnten Aufschwung erlebten, frisches Geld ins Land strömte und die Preise nach oben schossen. Auch im Westen schützt Gold die Bürger vor den Folgen von Helikopter-Geld, Monetarisierung und Tiefstzinsen.
Zudem ist Gold anders als Dollar oder Euro eine staatenlose Währung. Hier hat keine Regierung das Sagen, keine Notenbank kann das Metall entwerten. Deshalb wird Gold gern von autoritären Herrschern gekauft – wenig überraschend, dass Russland verstärkt Gold bunkert und US-Staatsanleihen abstößt. Wer dieser Argumentation folgt, kauft jetzt Gold, ersatzweise Silber, oder engagiert sich analog long bei CFD.
Short: Gold finanziert Konjunkturprogramme
Ein anderes mögliches Fazit: Die Europäer nutzen die Hausse und verkaufen ihre Goldbestände, um staatliche Ausgaben zu finanzieren. Vielleicht über Münzen und Barren direkt an die heimische Mittelschicht; vielleicht in großen Mengen an Russland, Indien oder China. Oder beides. Riesige Löcher in den Staatshaushalten gibt es genug – Stichworte Pflegenotstand, Flüchtlingskrise, Rentenlücke. Mit Verkäufen würde Europa den Goldpreis drücken. Wer daran glaubt, geht short.
In welche Richtung auch immer – Europa dürfte ab dem Herbst für heftige Volatilität sorgen. Denn unterzeichnet hatten das CBGA-Abkommen Bundesbank, Banque de France, Banca Italia, De Nederlandsche Bank, National Bank of Belgium, EZB, Swedish Riksbank und die Schweizer Nationalbank. Wir behalten die Angelegenheit im Auge. Die Bernstein-Bank wünscht erfolgreiche Trades!
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