30.07.2019 – Special Report. Wer sitzt im Zollstreit am längeren Hebel – China oder die USA? Vielleicht werden wir es noch in dieser Woche erfahren. Denn die Handelsgespräche sollen wieder aufgenommen werden. Innenpolitische Entwicklungen spielen in die Hände der Amerikaner. Denn die chinesische Führung befürchtet offenbar eine Revolution. Die könnte ausgelöst werden durch einen Wirtschaftscrash. Der erscheint durchaus möglich: Gerade wurde die zweite chinesische Bank durch einen Bailout gerettet.
Neue Runde im Zollstreit
Ab Dienstag blicken die Anleger besonders aufmerksam auf ihre Handelsplattform, denn dann wird eine US-Delegation um den Handelsbeauftragten Robert Lighthizer zu Gesprächen in der Volksrepublik erwartet. Die Gespräche waren vor Wochen mit diesem Sachstand eingefroren worden: Die USA ziehen ihre Sanktionen gegen den Telefonie-Konzern Huawei zurück. Im Gegenzug kaufen die Chinesen verstärkt Agrarprodukte in den USA, vor allem Sojabohnen. US-Präsident Donald Trump hatte sich zuletzt eher pessimistisch gezeigt und sich darüber beschwert, dass die Chinesen die Agro-Einkäufe noch nicht gestartet hätten. Außerdem äußerte er, dass Peking vielleicht auf einen neuen Präsidenten warte, um weiter zu verhandeln. Konkret, auf einen neuen Trottel, der Peking gegenüber nachgebe. Die Frage ist, ob China die Zeit hat, den Konflikt auszusitzen. Die Ereignisse in Hongkong und am Bankensektor lassen zumindest Zweifel aufkommen.
Peking sieht eine farbige Revolution
Gerade meldete sich die chinesische Führung in Bezug auf die Unruhen in Hongkong zu Wort. Erstmals hat eine chinesische Parteizeitung die Proteste als „Farbenrevolution“ bezeichnet. Die offiziöse „China Daily“ schrieb am Montag, die Proteste hätten „den gleichen Farbton wie die Farbenrevolutionen, die im Nahen Osten und Nordafrika angezettelt wurden: lokale regierungskritische Elemente, die mit äußeren Kräften konspirieren, um Regierungen zu stürzen und dabei moderne Kommunikationstechnologie nutzen, um Gerüchte, Misstrauen und Angst zu verbreiten.“
Drei rote Linien
Ebenfalls erstmals nahm auch das Büro für die Angelegenheiten von Hongkong und Macau Stellung. Das Statement geht in die gleiche Richtung. Ein Sprecher zog drei deutliche Linien: Erstens, keine Gefährdung der nationalen Sicherheit. Zweitens keine Herausforderung der Autorität der Zentralregierung sowie der Verfassung (wobei dieser Fakt lächerlich ist, da die Partei sowieso schaltet und waltet, wie sie will). Drittens dürfe Hongkong nicht als Basis missbraucht werden, China zu unterwandern. Immerhin richtete der Sprecher auch ein kritisches Wort an die Administration der ehemaligen Kronkolonie: Die müsse dafür sorgen, dass die Sorgen der Jugend ernst genommen würde, sie brauche eine gute wirtschaftliche Entwicklung und Karrierechancen.
China fürchtet das eigene Volk
Peking offenbarte durch diese beiden Wortmeldungen, wie die Kommunisten ticken: Sie befürchten tatsächlich einen Umsturz. Beginnend in Hongkong, ausgreifend auf Peking. Die CIA hat das sicher mit Interesse registriert: Sie erinnern sich vielleicht an unseren Special Report, in dem wir die Sanktionen der USA gegen Firmen aus dem chinesischen Sicherheitssektor thematisiert hatten. Washington hat damit tatsächlich einen wunden Punkt getroffen: Wenn die Millionen Überwachungskameras im Land nicht mehr funktionieren, müssen die Bonzen in Peking um ihr Überleben zittern, falls der Aufstand im Kernland losbricht. Den Machthabern steckt noch immer das Tianmen-Massaker vor 30 Jahren in den Knochen. Die Chinesen haben zudem die Terrorherrschaft unter Mao Tse Dong nicht vergessen. Hier sind also noch einige Rechnungen offen.
Treibstoff für die brodelnde Gemengelange gibt es genug. Extreme Wohnungsnot in Hongkong, neben der Tatsache, dass sich die Menschen dort von ihrer Führung in Sachen Demokratie verraten fühlten, weil sie Dissidenten an Peking ausliefern wollte. Dazu stellt sich die Frage, wie die chinesische Konjunktur abseits der gefälschten Statistiken wirklich läuft. Und wie es um die Banken steht und wie sicher die Ersparnisse der Menschen sind.
Wankende Banken in der Provinz
So fügt sich ein weiteres Teil in das mögliche revolutionäre Puzzle. Hierzulande bislang wenig beachtet wurde bislang der Zustand der kleineren Banken. Ende Mai wurde die Baoshang Bank mit Assets in Höhe von rund 576 Milliarden Yuan, also rund 75 Milliarden Euro, vom Staat übernommen. Die Meldung über die Rettung des eher unbekannten Geldinstitutes sorgte bei einigen Experten für hochgezogene Augenbrauen. Wie steht es außerhalb der Metropolen um die Finanzbranche? Und schon fertigte die Barclays Bank eine Liste mit denjenigen Finanzinstituten an, die ihren Jahresabschluss 2018 verzögert hatten. Fast 20 sind es, bei denen sich Verdacht aufdrängt: Faule Kredite, dünne Kapitaldecken, Kollaps-Risiko.
Mit auf der Liste stand auch die Bank of Jinzhou (93,4 Milliarden Euro). Genau hier hat Peking gerade die Rettung eingefädelt. Wie das Finanzblog „ZeroHedge“ berichtet, meldete Jinzhou am Donnerstag Gespräche mit staatlichen Vertretern wegen akuter Liquiditätsengpässe. Umgehend schoss die Repo-Rate für chinesische Staatsanleihen nach oben. Die Bankenaufsicht teilte mit, die größten Geldgeber des Landes müssten sich auf ein Eingreifen vorbereiten. Klar – China muss einen Credit Crunch und Bank Runs unter allen Umständen vermeiden. Reuters meldete am Sonntag Vollzug: Demnach wollen drei staatsnahe Firmen im Gegenzug für frisches Cash einen Anteil von mindestens 17 Prozent an Jinzhou übernehmen; dies sind die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), das ist der größte Kreditgeber Chinas. Ferner China Cinda Asset Management und China Great Wall Asset Management.
Short- und Long-Chancen
Unser Fazit: Es gärt in der chinesischen Provinz. Auf Geheiß der Führung in Peking haben viele Geldinstitute entweder selbst in Immobilienprojekte investiert oder sie haben Hypotheken-Kredite vergeben. Außerhalb von Peking und Shanghai sowie anderen Mega-Metropolen herrscht aber akuter Leerstand, teils mit ganzen Geisterstädten und leeren Shopping-Centern, deren triste Schaufenster zur Tarnung mit Logos westlicher Marken zugeklebt sind. Falls nun noch im Zollstreit mit den USA der Export einbricht, werden viele Kreditnehmer aus dem Außenhandel umkippen. Noch hat China enorme Reserven angehäuft, um einige Firmen und Kreditinstitute zu retten – doch die Masse an amerikanischen Staatsanleihen muss erst einmal verkauft werden.
Für Trader heißt dies Folgendes: Behalten Sie die Banken auf dem flachen Land im Auge. Dito die kleinen und mittleren Bauträger und Projektentwickler. Wenn sich auf breiter Front ein Banken-Kollaps durch den Markt frisst, folgt die Panik. Dann werden die chinesischen Indizes abstürzen. Falls die Chinesen elegant Banken und Bauträger retten – etwa durch den Aufkauf von Wohnungen – wird die Gefahr gebannt. Eine weitere Querverbindung: Wenn es wirklich im Land Probleme auf breiter Front gibt, muss Peking im Streit mit Washington nachgeben und ein Zollabkommen schließen. Ein Freudensprung an der Wall Street, im DAX und anderen Börsen wäre die Folge.
Die Bernstein-Bank wünscht erfolgreiche Trades!
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