
12.08.2021 –Special Report. Gold ist die Mega-Anlage der vergangenen fünf Dekaden. Vor 50 Jahren verkündete US-Präsident Richard Nixon überraschend die Abkehr von der Gold-Deckung des Dollar. Und das war nichts anderes als das Anwerfen der Druckerpresse. Langfristig hat sich das gelbe Metall als Inflationshedge bewährt. Kurzfristig reiben sich die Trader-Bären die Tatzen. Wir analysieren die Lage.
Ein halbes Jahrhundert Stabilität
Auf Sicht von 50 Jahren lagen die Gold-Bullen richtig: Am 01. Januar 1971 hatte eine Feinunze Gold rund 35 Dollar gekostet. Der Greenback ging in dieser Zeit in die Knie. Die heutigen Preise in Dollar sind laut dem Bureau of Labor Statistics 6,7 mal so hoch wie damals. 100 Dollar von damals wären also so viel wert wie 670 Dollar heute. Anders ausgedrückt: Wer auf Cash setzte, war der Dumme. Wer vor 50 Jahren 100 Dollar sparte, hat heute nur noch knapp 15 Prozent der damaligen Kaufkraft.
Ganz anders die Performance von Gold. Im vergangenen halben Jahrhundert verteuerte sich die Feinunze von rund 35 auf zuletzt rund 1.750 Dollar. Eine Verfünfzigfachung also, welche der Versiebenfachung der Preise weit vorauseilt.
Nixon unterbricht Bonanza
Und das war der Grund: Am Abend des 15. August meldete sich Richard Nixon mitten während der beliebten Serie „Bonanza“ zu Wort. In einer Fernseh-Ansprache schloss der US-Präsident am 15. August das „Gold Window“: Die USA hoben die Dollar-Konvertierbarkeit bei der amerikanischen Zentralbank auf. Zuvor konnten ausländische Notenbanken zum fixen Preis von 35 US-Dollar eine Feinunze Gold kaufen. De facto war dies das Ende des Gold-Standard. Zusammen mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China einen Monat zuvor ging diese Ansprache als „Nixon-Schock“ in die Geschichte ein. Dies hatte das Ende des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse zur Folge. Im Ergebnis galt danach auf der ganzen Welt ein Papiergeld-Standard mit dem Dollar als Leitwährung.
Papiergeld statt Gold Window
Die Folge: Budget-Defizite, Boom- und Bust-Zyklen und ungeahnte Macht für die Notenbanken, allen voran für die Federal Reserve. Der Hauptgrund für den Schritt von Nixon war die Politik seines Vorgängers Lyndon B. Johnson: Der hatte mit seiner Politik der “guns & butter” die Tür zu einer neuen, ungeahnten Staatsverschuldung aufgestoßen. Sein “War on Poverty” und die Eskalation in Vietnam ließen die Druckerpresse rotieren – und die Gold-Reserven der Fed wurden knapp. In kürzester Zeit verwandelte sich der Netto-Kreditgeber Amerika in eine Schuldennation. Tatsächlich hätte die Inflation der Papier-Dollars einen Run auf Fort Knox durch ausländische Notenbanken auslösen können.
Ist Gold zu teuer?
Inzwischen sehen einige Experten sogar einen zu starken Run auf den Inflationshedge – das gelbe Metall sei zuletzt sogar zu teuer gewesen. So sagten die Professoren Campbell Harvey und Claude Erb von der Duke University dem Wall Street Journal, “gold is currently very expensive compared to its history.” Denn aktuell stehe Gold im Verhältnis zum Consumer Price Index bei 6,5, das sei nahezu das Doppelte des 50-Jahre-Durchschnitts von 3.6. Wir meinen: Hier sind die Inflationserwartungen wohl der tatsächlichen Teuerung vorausgelaufen. Vielleicht ist das der Grund für den jüngsten Rücksetzer.
Flash Crash am Weekend
Vom Höchstkurs bei 2063,55 Dollar vor fast genau einem Jahr ist der Preis schon ein gutes Stück entfernt. So rutschte der Goldpreis alleine am vorigen Wochenende um rund 6 Prozent ab. Der Grund waren die starken Zahlen vom amerikanischen Arbeitsmarkt am Freitag – sie sorgten für neue Zinsphantasien. In einem regelrechten Flash-Crash sank Gold bis auf 1.689 Dollar – das sah doch sehr nach einer kurzfristigen finalen Kapitulation aus. Das Finanzblog ZeroHedge konstatiert Sell-Orders in Höhe von 4 Milliarden Dollar. Danach griffen die Schnäppchenjäger wieder zu.
Ipek Ozkardeskaya, leitende Analystin der Swissquote Bank, sah in der jüngsten Entwicklung einen verstärkten Abwärtstrend aufgrund einer Todeskreuz-Formation, bei der der gleitende 50-Tage-Preisdurchschnitt unter den gleitenden 200-Tage-Preisdurchschnitt gefallen ist. Die Geschwindigkeit, mit der Anleger ihre Goldbestände nach Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten abgebaut hätten, sei ziemlich beeindruckend gewesen, zitierte sie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Nichts hat sich geändert
Unser Fazit: Vielleicht ist der jüngste Rücksetzer ist eine Chance zum Einstieg. Denn de facto hat sich nichts geändert in der Geldpolitik – immer mehr Luftgeld flutet den Markt. Doch mit den Cryptos sind dem gelben Metall echte Konkurrenten als Absicherung gegen den Kaufkraftverlust entstanden. Im Zuge von Corona hat der Wahnsinn der ultra-lockeren Geldpolitik sogar zugelegt, wir sehen immer neu Stimuli und Konjunkturprogramme; manche Analysten glauben, die Zinsen seien auf dem Weg in Richtung Negativ-Terrain. Das Blog Variant Perception sieht jedenfalls keine Unterbrechung des langfristigen Trends: Nach wie vor folge der Goldpreis der US-Geldmenge M1 – und die steige drastisch. Wir ergänzen: Allerdings hängt alles von einer Zinserhöhung ab. Die Bernstein-Bank behält das Thema für Sie im Blick!
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