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07.09.2021 –Special Report. Evergrande wankt. Wenn einer der größten Bauträger in der Volksrepublik umkippt, droht dem Roten Drachen ein Szenario wie das von Lehman Brothers im Jahr 2008. Ein Kollaps könnte einen systemischen Schock auslösen. Und Banken sowie ganze Großstädte mit in den Abgrund ziehen. Was Folgen für die Börse in China haben könnte – wenn nicht sogar für die gesamte Welt.

Angeblich Finanzspritze nötig

Die Aktie stürzte ab, Firmenanleihen dito, nachdem Evergrande die heimische Provinzregierung von Guangdong um Finanzhilfe gebeten haben soll. Die Ratingagentur S&P senkte den Ausblick für das bestehende Kreditrating B+ von stabil auf negativ. Laut Bloomberg forderten mindestens zwei finanzierende Fonds eine umgehende Rückzahlung der Verbindlichkeiten. Das Finanzblog ZeroHedge sah einen kleinen Bank Run und zog den Vergleich mit Lehman Brothers. Evergrande ist mit mindestens 300 Milliarden Dollar verschuldet. Der Präsident des Hedge Funds Telemetry LLC, Thomas Thornton, warnte, dass sich der gigantische Konzern in einer „Todesspirale“ befinde.

Krise bei China-Immobilien

Der Hintergrund der Misere: Der Immobilienmarkt kollabiert. In Chinas rund 100 Millionenstädten stehen ganze Stadtteile leer. Dazu gesellen sich regelrechte Geisterstädte, in die zu langsam Leben einzieht. Der große Plan des weisen Staatslenkers Xi Jingpin ist es, rund 300 Millionen Menschen vom Land in die Städte umzusiedeln, damit China die von Kleinbauern bewirtschafteten Äcker in Großkolchosen umwandeln kann. Das Problem: Wohnraum ist für die Landbevölkerung zu teuer.
Denn die Chuppies – die Chinese Urban Professionals – haben den Wirtschaftsaufschwung der vergangenen zwei Jahrzehnte dazu genutzt, sich mit Betongold gegen die Inflation abzusichern. Viele haben auf immer höhere Preise spekuliert und sich zwei oder drei Wohnungen gekauft; damit haben sich eine Scheinblüte und ein gigantischer Überhang aufgebaut.

Geisterstädte und leere Plattenbauten

Zudem sind wahre Geisterstädte entstanden. Das „Baublatt“ aus der Schweiz widmete sich Anfang 2020 dem gigantischen Xiangyun-Projekt nahe Shijiazhuang in der Provinz Hebei. High-End-Wohngemeinschaften, Einkaufszentren, Hotels, Restaurants sowie ein Themen- und Wasserpark. Alles gestoppt im Jahr 2017 wegen Korruptionsvorwürfen und dem Konkurs des Projektenwicklers.
Oder Ordos Kangbashi in der Inneren Mongolei, wo die Politik durch den Kohle-Boom auf eine rasche Zuwanderung gehofft hatte. Überhaupt standen häufig Apparatschiks hinter dem auf Sand gebauten Immobilien-Boom: „Local governments around the country tried to juice and stimulate their economies by building more infrastructure and stimulating the property market,“ urteilte Dinny McMahon, Autor von China’s Great Wall of Debt, schon im Jahr 2018 im Gespräch mit ABC. Diese Kommunalregierungen haben mit Hypotheken-Krediten auch gutes Geld verdient; die allerdings würden bei einem Bau-Crash uneinholbar verfallen.
Wie groß ist das Problem? Das weiß niemand, weil die Städte und Kommunen mauern. Professor Li Gan, Dozent für Volkswirtschaft an der Texas A&M University hatte Ende 2018 mit der Warnung Aufsehen erregt, dass rund 22 Prozent des Wohnraums in den Städten leer stehen – oder umgerechnet 50 Millionen Einheiten. Immerhin meldete Bloomberg vor ein paar Tagen, Chinas Geisterstädte zeigten Anzeichen von neuem Leben.

Rein in die Bad Bank

Das Fazit: Vielleicht wird sich Evergrande fangen. Oder China packt den Konzern in eine Bad Bank, zahlt mit Staatsgeld wankende Zulieferer und angeheuerte Baufirmen aus und zerschlägt das Unternehmen. Im Gegenzug für die Finanzspritzen dürfte sich der Staat abertausende von fertigen, leerstehenden Wohnungen einstecken. Und günstig verhökern. Was einige Folgen haben dürfte: Zum einen verliert die chinesische Mittelschicht Vermögen, weil die Wohnraum-Preise verfallen. Was zu Notverkäufen von Wohnungen und an der Börse führen könnte. Zum anderen würde das Platzen der Immobilien-Blase eine heftige Krise bei Banken, Baufirmen, Stahlkonzernen, Baustoff-Herstellern, etc. auslösen. Und letztlich den Arbeitsmarkt kräftig durchrütteln.
Wir fragen uns aber, wie viele Krisenkonzerne Peking noch retten kann. Gerade wurde Huarong aufgefangen – die Asset-Management-Gesellschaft war als „very bad bank“ berüchtigt. Die Citic Group hat Huarong übernommen, deren Ex-Chef Lai Xiaomin im Januar wegen Korruption hingerichtet worden war. Das Fazit: In diesem eher unbeobachteten Winkel des Finanzmarktes tickt eine Zeitbombe. Die Frage ist, ob und wie das Politbüro die Lunte löscht. Die Bernstein-Bank behält die Angelegenheit für Sie im Blick!


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