
02.09.2021 –Special Report. Immer Ärger mit den Kommunisten in Peking. Gerade hatten wir gehofft, dass durch den Kotau von Oligarchen Ruhe eingekehrt ist bei den China-Aktien. Da geht es schon wieder los. Wir beleuchten die Hintergründe.
Aufscheuchen der Sissy Pants
Schlag der Apparatschiks gegen die Gaming-Industrie: Spieleverbot für die Jugend. Online-Spieler sollen nach dem Willen der nationalen Behörde für Verwaltung und Verlagswesen unter der Woche nicht mehr spielen und am Weekend nur noch maximal eine Stunde pro Tag. Tastsächlich lässt sich diese Totalüberwachung durchaus umsetzen, da sich alle sämtliche Gamer mit Klarnamen und Ausweisnummer registrieren müssen. Die Nachrichtenagentur Xinhua meldete am Montag, die Regierung wolle die „physische und mentale Gesundheit von Jugendlichen schützen“. Das „Wall Street Journal“ kommentierte, Peking wolle die Jugend abhärten und die „Sissy Pants“ – also die Memmen – aus dem Gamer-Stuhl verjagen.
Der Druck lässt nicht nach
Der Branchenprimus Tencent bleibt damit unter Druck. Schon Anfang August hatte die „Economic Information Daily“ den ersten Warnschuss abgefeuert und Online-Spiele als „Opium für den Geist“ und „elektronische Drogen“ bezeichnet. Tencent hat unter anderem die Blockbuster “Pokémon Unite” und “League of Legends” im Angebot. Doch da könnte noch eine breite Verkaufswelle an der Börse folgen – falls das der Vorbote für ein allgemeines Verbot war. Teenager machen nur unter fünf Prozent aller Gamer aus. Falls alle Spieler gegängelt werden, dürfte vor allem der E-Sport leiden. Die Branche hat im vergangenen Jahr laut „Neue Züricher Zeitung“ Profite im Wert von über 14,5 Milliarden Dollar erzielt.
Somit könnte Peking vor allem die Firmen im „China Game Valley“ in der ostchinesischen Metropole Nanjing kräftig beuteln. Hier haben sich insgesamt über 230 Spiele-Entwickler mit 10.000 Angestellten angesiedelt, darunter der auf Cloud-Gaming spezialisierte Developer Migu, eine Tochterfirma des Börsenchampions China Mobile.
Tiefgreifende Revolution
Peking hat in den vergangenen Wochen verpflichtenden Unterricht zur „Gedankenlehre Xi Jinpings“ eingeführt und die meisten ausländischen Schulbücher aus dem Klassenzimmer verbannt. Die Mao-Bibel lässt grüßen. Ferner hat die Kommunistische Partei im Zuge einer angeblich „exzessiven“ Fan-Kultur etliche Online-Auftritte von Pop-Stars gelöscht.
Michael Every von der Rabobank kommentierte, hier laufe eine „Profound Revolution“ ab. Peking habe sich erst Ant Financial vorgenommen, dann Didi, somit den Finanz- und Transportsektor. Jetzt Gaming. Weiter gebe es jetzt scharfe Beschränkungen für Börsengänge in den USA und den elektronischen Handel in China. Der Bildungssektor sei in eine Non-Profit-Veranstaltung umgewandelt worden. Die Vergabe von Krediten an private Bauträger wurden eingeschränkt – der Bau müsse von der Spekulation befreit werden, töne es aus der Partei. Ferner will Peking exzessive Einkommen deckeln – was immer das ist.
Tencent habe sich schon unterworfen und zugesagt, umgerechnet 15 Milliarden Dollar zu spenden sowie Kampagnen zu starten gegen Trinken im Business, unpatriotische Karaoke-Lieder und die Celebrity-Kultur. Weiter laufe eine Säuberung in Online-Medien. Staatsmedien wie Xinhua, PLA Daily, CCTV oder China Youth Daily hätten über die sozialen Posts weiterverbreitet, dass jeder, der sich dem Umbau der Gesellschaft widersetze, bestraft würde. Angekündigt wurde als nächstes ein Vorgehen gegen hohe Preise von Medikamenten und Wohnimmobilien.
Drohender Börsenschock
Die Rabobank befürchtet diese Folgen für die Börse: China könne zur dritten bedeutenden Zäsur werden – nach dem Brexit und Donald Trump. China-Aktien – und vielleicht auch Immobilien – dürften im Vergleich zu den US-Pendants unterperformen. Die Kampagne werde auf dem chinesischen Wachstum lasten, was Exporteure nach China treffen werde. Damit würden die amerikanische und die europäische Wirtschaft gebremst, was die Zentralbanken zu neuem Quantitative Easing führen dürfte. Ironischerweise sei dies positiv für westliche und auch chinesische Staatsanleihen. Aber langfristig negativ für den Yuan. Geopolitische Spannungen würden zunehmen, dies mit Folgen für Volkswirtschaften und Märkte. Wir sind gespannt, wie die Sache weiterläuft – die Bernstein-Bank behält die Sache für Sie im Blick!
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