
18.02.2022 – So viel Nervosität war selten: Vor allem die Ukraine-Krise zerrt an den Nerven der Anleger. Aber auch die erratischen Äußerungen aus der Federal Reserve. Jede News kann den Markt herumwirbeln.
Flucht in den Dollar möglich
Beide Events könnten den Greenback stützen. Falls die zuletzt aus der Fed geäußerten Zinserhöhungsphantasien zur Geldpolitik werden und falls die Ukraine-Krise eskaliert, ist eine Flucht in den Dollar durchaus möglich. Da Amerika vermutlich schneller und stärker als Europa die Zinsen erhöht und da unser Kontinent besonders abhängig ist von russischer Energie, dürfte vor allem der Euro gegen den Dollar nachgeben.

Quelle: Bernstein Bank GmbH
Hoffnung auf die Diplomatie
Nach dem Feuergefecht zwischen Separatisten und der ukrainischen Armee im Donbass mit gegenseitigen Schuldzuweisungen setzte die Wall Street erstmal zurück. Das Weiße Haus warnt ja seit Wochen vor einer unmittelbar bevorstehenden Invasion. Doch dann zog das US-Außenministerium die Futures wieder nach oben: Demnach will sich Antony Blinken nächste Woche mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow treffen.
Das stalinistische Erbe
De facto sehen wir in der Ukraine kaum Möglichkeiten auf eine friedliche Lösung. Denn Russlands Präsident Wladimir Putin hat – weitgehend unbemerkt von der Weltpresse – die Karten offen auf den Tisch gelegt. Beim Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) sprach Putin von einem drohenden Völkermord gegen die russische Minderheit in der Ukraine. Hinter diese Linie kann er kaum noch zurück. Der Schutz von Russen im Ausland ist Staatsräson, womit eine üble Erblast der Stalin-Diktatur gefährlich wird.
Stalin hatte in besetzten Gebieten systematisch Russen angesiedelt und einen Großteil der heimischen Elite im Gulag verschwinden lassen. Und zwar VOR dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. Diese Schuld wird in Russland nicht thematisiert – und wenn es Organisationen wie Memorial gibt, die das doch tun, so werden sie mal eben verboten. Auch Putin sieht die UdSSR nur als großartigen Retter der Menschheit vor den Nazis, die eigenen Gräuel und die Ängste der kleinen Nachbarländer interessieren ihn nicht.
Der Ethno-Faktor
So leben heute viele Russen im Donbass, aber auch in Estland, Lettland und Litauen. Diese Russen haben oft keine Pässe der Gastländer. Sie sind de facto staatenlos und könnten Moskau – wie vielleicht jetzt in der Ukraine – zum Einmarsch bewegen. Zumal die russische Duma gerade die Anerkennung der Volksrepubliken gefordert hat.
Für Putin wäre alles andere als ein Abtrennen der Regionen Lugansk und Donezk, wo sowieso seit Jahren Krieg herrscht, ein herber Gesichtsverlust. Dann hätte er auch einen neuen Puffer gegen die NATO. Wer weiß: Vielleicht opfert der Westen die Ukraine und zwingt das Land, die ethnisch-russischen Gebiete „freiwillig“ abzutreten. Dann hätte Putin seine Landsleute geschützt, einen teuren Krieg vermieden. Wobei Russland durchaus darauf verweisen kann, dass der Westen ja auch stets die Unabhängigkeit der kleinen, nichtrussischen Sowjetstaaten befürwortet hat. Die Börse würde feiern.
Loose Cannon
Bleibt ein Blick auf die Fed. Jim Bullard sorgt wie eine Kanone, die sich aus den Tauen losgerissen hat und unkontrollierbar umher rollt, für Panik. Der Chef der Fed von St. Louis warnte gerade auf einer Veranstaltung der Columbia University, die Inflation könne außer Kontrolle geraten – und riet zu einer Zinserhöhung von einem vollen Prozentpunkt im Juli. Ergo tauchten vor allem die Higthech-Titel ab.
Bullard betonte, das Core PCE – also die von der Fed besonders beachtete Kernrate der personal consumption expenditures – „does not have the reputation of coming down naturally.“ Die US-Notenbank müsse langlaufende US-Bonds verkaufen, um am langen Ende die Zinsen nach oben zu bringen. Jim Bullard warnte schon zuvor, die Fed riskiere ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht entschlossen gegen die Inflation vorgehe.
Wer weiß, was das Weekend bringt. Die Bernstein Bank rät in der aktuellen Lage zur Vorsicht – alles ist möglich und das Gegenteil von allem.
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