Saudis eröffnen den Ölkrieg gegen Russland

OIL Crash

09.03.2020 – Special Report. Flash-Crash bei Erdöl: Saudi-Arabien hat die erste Salve im Preiskrieg gegen Russland abgefeuert. Vorige Woche hatte sich Moskau gegen eine Förderbremse gestellt und das OPEC-Meeting in Wien scheitern lassen. Am Wochenende nun senkten die Saudis die Preise. Zudem wollen sie die Förderung hochfahren. Analysten sehen ein Abtauchen im Ölpreis bis auf 20 Dollar.

Blutbad bei den Ölpreisen

Sind das interessante Zeiten für Trader: Am Montag brach der Preis für Rohöl aus der Nordsee um 31,5 Prozent ein bis auf 31,02 Dollar je Barrel. Ein Fass US-Öl der Sorte WTI verbilligte sich zwischenzeitlich um 27,5 Prozent auf 30 Dollar je Fass. Nur am 17. Januar 1991 war der Verlust mit 33 Prozent höher, als der Erste Golfkrieg ausbrach. Die Ölpreise waren somit auf den tiefsten Stand seit Anfang 2016 zurückgefallen. Das Tief ist kaum auszuloten. Zwar ist nach dem heftigen Einbruch eine Gegenbewegung fällig. Doch Riad und Moskau scheinen wild entschlossen, den Konflikt auszufechten.

Oil.WTI chart

Moskau zufrieden mit niedrigen Preisen

Russland stellt sich gegen die OPEC: Moskau kann angeblich gut mit niedrigeren Preisen leben. Die russische Föderation will Marktanteile halten und vor allem die US-Firmen vernichten. Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte laut „Moscow Times“ schon am vorigen Sonntag, dass die aktuellen Ölpreise akzeptabel seien und genügten, um die russische Wirtschaft zu tragen. Die Saudis setzten bislang auf hohe Preise um die eigene marode Wirtschaft und den Börsenwert von Saudi-Aramco zu stützen. Das ist nun vorbei.

Kriegserklärung aus dem Kreml

Vorige Woche hatte Moskau den Vorschlag der OPEC abgelehnt, die Förderung um 1,5 Millionen Barrel pro Tag zu senken. Das Kartell war dabei einer Meinung gewesen – nur die Russen scherten aus. Am Freitag sagte der russische Ölminister Alexander Nowak beim Treffen der OPEC+ in Wien zu Journalisten, Russland werde sich vom 01. April an keinerlei Quoten und Förderbremsen mehr halten. Erstmals seit sechs Jahren war damit ein OPEC-Meeting ohne Vereinbarung zu Ende gegangen. Bloomberg kommentierte, der Entwurf zum Abschlussdokument lese sich wie ein Scheidungspapier. Der saudische Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman sagte nach dem gescheiterten Meeting zu den Delegierten, „heute wird ein Tag zum Bedauern sein“.

Riad setzt auf verbrannte Erde

Und am Wochenende schoss Saudi-Arabien zurück. Aramco senkte zum einen die Forward-Preise für alle Regionen über alle Produkte zur Auslieferung im April um 6 bis 8 Dollar je Barrel.

Außerdem steht das Königreich laut CNBC offenbar vor einer Anhebung der Produktion um 2 Millionen Fass je Tag; der Sender griff dabei eine Meldung von Bloomberg auf. Auch das „Wall Street Journal“ meldete eine bevorstehende Erhöhung der Förderung.

Reuters meldete, die Saudis würden die Förderung auf über 10 Millionen Barrel pro Tag anheben. Derzeit pumpt das Land 9,7 Millionen pro Tag; die maximale Kapazität liegt aber bei 12,5 Millionen Fass. Saudi-Arabien hat mit Abstand die niedrigsten Förderkosten und machte daher selbst bei niedrigsten Preisen noch Gewinn.

Ölflut voraus

Entsprechend geschockt war der Markt. „Complete pandemonium at the open,” schrieb Stephen Innes, Chef-Stratege beim australischen Devisen- und CFD-Trader AxiCorp, am späten Sonntag. Und weiter: “The shock-and-awe Saudi strategy will propel oil markets into a period of radical uncertainty. Russia balking was one thing, but Saudi ramping up production is a bird of another feather.”

Die OPEC-Mitglieder bereiteten sich nun auf einen Preiskrieg vor, bald würden sie Pläne zur Erhöhung der Förderung veröffentlichen, schrieb Edward Bell, Commody-Analyst bei der staatlichen Emirates NBD, früher bekannt als National Bank of Dubai. Konkret äußerte Bell: „Should OPEC+ members choose to raise output from Q2 onward, a wave of oil will be unleashed onto markets,” Und weiter: „We expect to see Saudi Arabia, the UAE and other large producers in OPEC increase production over the rest of 2020 as they return to a market-share strategy rather than price targeting.

20 Dollar in 2020

Die Folge aus alledem wäre natürlich ein weiterer herber Preissturz. „$20 oil in 2020 is coming,” twitterte am gestigen Sonntag Ali Khedery, ein früherer Berater für Exxon im Mittleren Osten und nun Chef der US-Unternehmensberatung Dragoman Ventures. Goldman Sachs äußerte am Sonntag, der Preis könne bis in die 20er-Regionen einbrechen. Denn zusammen mit Covid-19 sei die Lage im Ölmarkt nun noch schlimmer als im November 2014, als eine ähnliche Schlacht die Preise bis Anfang 2016 auf 30 Dollar je Fass abtauchen ließ.

US-Ölindustrie muss aufs Schafott

Die Kurse der großen Energiekonzerne dürften nun abtauchen. Und vor allem die amerikanischen und kanadischen Teersand- und Ölschiefer-Förderer stehen vor harten Zeiten. Laut Moody’s ist die Öl- und

Gas-Industrie in den USA hoch verschuldet: In den kommenden vier Jahren werden bei kleinen Firmen 86 Milliarden Dollar an Krediten fällig. Fast alles auf dem Junk-Level oder knapp darüber. So schrieb Jeffrey Halley, Marktstratege beim New Yorker Broker Oanda am Sonntag: „U.S. shale and Canadian tar sands are in for a nightmarish year, I fear.” Und weiter: „Production becoming a battle of who has the deepest pockets.”

Wie es aussieht, ist die Billigstrategie der Russen auch eine Retourkutsche für Versuche in Washington, die Gaspipeline Nord Stream 2 zu sabotieren. Vor rund drei Wochen hatte Washington zudem Sanktionen gegen den staatlichen Ölmulti Rosneft verhängt, weil der Öl aus Venezuela transportiert hatte. Rosneft wird von der grauen Eminenz in Russland geleitet: Igor Setchin, das ist ein enger Freund von Putin.

RTS, Rubel, TASI unter Druck

Wer verliert noch? Vor allem Börsen von Ländern, die nun ein riesiges Loch in der Haushaltskasse haben, weil der Ölpreis immer weiter fällt. Allen voran die saudische Börse mit ihrem Tadawul All Share Index (TASI).

Auch Russland dürfte früher oder später die sinkenden Ölpreise spüren – Öl und Gas machen fast den kompletten Staatshaushalt aus. Allerdings sitzt Moskau auf hohen Devisen- und Goldreserven und ist nicht verschuldet. Der Kreml hat also einen langen Atem. Dennoch: Der RTS-Index wird sich schwer aus Turbulenzen befreien können. Der Rubel reagierte schon mit einem Schwächeanfall auf die jüngste Entwicklung und rutschte zum Dollar mit 73,50 auf den niedrigsten Stand seit vier Jahren.

Gegenbewegung möglich

Aber Achtung: Nach solch einem heftigen Einbruch ist es nur eine Frage der Zeit, bis am Terminmarkt massiv Spekulanten einsteigen und den Ölpreis wieder nach oben ziehen. Vor allem, falls die Saudis und die Russen Signale der Versöhnung aussenden oder sich gar an einen Tisch setzen. Zumal irgendwann die Weltwirtschaft nach Corona wieder anspringen dürfte und die Konjunktur vor einem gewaltigen Nachholbedarf steht. Und merke: In der Politik hilft keine Chartanalyse – sie sollten also die Handelsplattform offen und die regelmäßigen Marktupdates im Blick behalten. Die Bernstein-Bank wünscht viel Erfolg bei Ihren Trades!


Wichtige Hinweise:

Der Inhalt dieser Publikation dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Es handelt sich in diesem Kontext weder um eine individuelle Anlageempfehlung oder -beratung, noch um ein Angebot zum Erwerb oder der Veräußerung von Wertpapieren oder anderen Finanzprodukten. Der betreffende Inhalt sowie sämtliche enthaltenen Informationen ersetzen in keiner Weise eine individuelle anleger- bzw. anlagegerechte Beratung. Jegliche Darstellungen oder Angaben zu gegenwertigen oder vergangenen Wertentwicklungen der betreffenden Basiswerte erlauben keine verlässliche Prognose oder Indikation für die Zukunft. Sämtliche aufgeführte Informationen und Daten dieser Publikation basieren auf zuverlässigen Quellen. Die Bernstein Bank übernimmt jedoch keine Gewähr bezüglich der Aktualität, Korrektheit und Vollständigkeit der in dieser Veröffentlichung aufgeführten Informationen und Daten. An den Finanzmärkten gehandelte Wertpapiere unterliegen Kursschwankungen. Ein Contract for Difference (CFD) stellt darüber hinaus ein Finanzinstrument mit Hebelwirkung dar. Der CFD-Handel beinhaltet vor diesem Hintergrund ein hohes Risiko bis zum Totalverlust und ist damit unter Umständen nicht für jeden Anleger geeignet. Stellen Sie deshalb sicher, dass Sie alle korrelierenden Risiken vollständig verstanden haben. Lassen Sie sich gegebenenfalls von unabhängiger Seite beraten.

CFD sind komplexe Instrumente und gehen wegen der Hebelwirkung mit dem hohen Risiko einher, schnell Geld zu verlieren. 68% der Kleinanlegerkonten verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter. Sie sollten überlegen, ob Sie verstehen, wie CFD funktionieren, und ob Sie es sich leisten können, das hohe Risiko einzugehen, Ihr Geld zu verlieren.