Vorsicht vor dem Quartalsende

Crisis trading

23.06.2020 –Special Report. Bald steht der Kursrutsch an – zumindest wenn es nach Goldman Sachs, JPMorgan und dem Hedge Fonds GMO geht. Obgleich es in der ewigen Schlacht zwischen Bulle und Bär ständig Warnungen von der einen oder anderen Seite gibt, erscheinen die jüngsten Wortmeldungen besonders fundiert. Vor allem mit Blick auf das Datum 30. Juni. Wir analysieren die Hintergründe.

Rebalancing bei Fonds zum Quartalsende

Gerade erst hatte Goldman Sachs davor gewarnt, dass Pensionsfonds in den USA im Zuge eines „Quarter End Rebalancing“ Aktien im Wert von 76 Milliarden verkaufen müssten. Dies wäre die drittgrößte Summe aller Zeiten nach März 2020 und Dezember 2018. Beides waren übrigens recht volatile Zeiten an der Börse.
Der Hintergrund: Vor allem, um Auszahlungen zum Quartalsende zu stemmen, müssen Fonds immer wieder Cash locker machen. Aber auch um eigenen Anlagestandards zu genügen, müssen sie verkaufen – also etwa, um die verlangte Aktienquote am Gesamtinvestment zu halten. Etwa ein 60/40 von Aktien und Staatsanleihen. Und nach dem jüngsten Anstieg der Börse seit März und dem damit einhergehenden Anstieg der Aktienbewertung in einem Fonds kann dies nur einen Sale bedeuten.

JPMorgan sieht Abverkauf von 170 Milliarden Dollar

JP Morgan legte nun noch einen drauf: Demnach stehen bis zum Quartalsende am 30. Juni Aktien im Wert von 170 Milliarden Dollar zum Verkauf. In seinem neuesten Report namens „Flows and Liquidity“, urteilte Analyst Nikolas Panagirtzoglou, eine kleine Korrektur stehe bevor. Er hatte übrigens den Rückfluss von 1,1 Billionen Dollar in den Markt seit dem 23. März korrekt vorhergesagt.
Mit Blick auf die anhaltende Erholung im Aktienmarkt urteilte JPM, „not only has the continuation of the equity market rally into June naturally eroded all of the previously estimated positive equity rebalancing flow, but it has likely created a need for negative rebalancing flow, i.e. equity selling, of around $170bn into the current month/quarter end.“ Panagirtzoglou sah sich für seine Analyse fünf Marktakteure genauer an: Investmentfonds, US-Pensionsfonds, den norwegischen Staatsfonds der Norges Bank, den der Schweizer Nationalbank und den japanischen Regierungspensionsfonds GPIF.

Weltuntergangsszenario vom Hedge Fonds

Unabhängig von einem möglichen Rebalancing bei Fonds schlug sich gerade einer der bekanntesten Wall-Street-Bullen auf die Seite der Bären: Der britische Starinvestor Robert Jeremy Goltho Grantham, Mitbegründer und co-Chief Investment Strategist von Grantham, Mayo, & van Otterloo (GMO) in Boston. Der Hedge Fonds hält rund 75 Milliarden Dollar Assets under Management.
In einem Brief an seine Kunden schrieb Grantham „we have never lived in a period where the future was so uncertain“ und trotzdem „the market is 10% below its previous high in January when, superficially at least, everything seemed fine in economics and finance. And if not “fine,” well, good enough. The future paths include many that could change corporate profitability, growth, and many aspects of capitalism, society, and the global political scene.“ Kurz: Niemals zuvor sei die Zukunft so ungewiss gewesen. In diesen ungewöhnlichen Zeiten könne sich alles verändern – die Gewinnlage der Konzerne, Politik und Gesellschaft. Da passe es nicht, dass der Markt nur rund 10 Prozent unter seinen Allzeithochs notiere.

Börse und Realwirtschaft entkoppelt

Der Investment-Veteran gestand ein, dass er den Glauben an den Upside-Case verloren habe. Niemals zuvor hätten sich die Realwirtschaft und der Finanzmarkt so weit voneinander abgekoppelt. Konkret: „the current P/E on the U.S. market is in the top 10% of its history… the U.S. economy in contrast is in its worst 10%, perhaps even the worst 1%…. This is apparently one of the most impressive mismatches in history.“ Ergo: Während die Börse sich in den Top-10 Prozent ihrer Geschichte bewege, laufe die Realwirtschaft im schlechtesten 1 Prozent ihrer Historie.
Weiter sagte Grantham der FT: „The Covid-19 pandemic “should have generated enhanced respect for risk and it hasn’t. It has caused quite the reverse.” Kein Respekt vor dem Risiko an der Börse also. In Konsequenz kappte GMO seine Net Exposure im globalen Aktienmarkt von 55 auf 25 Prozent. Laut „Financial Times“ rutschte der Anteil amerikanischer Aktien von netto 3 bis 4 Prozent in eine Short-Position von 5 Prozent.

Diesmal ist alles anders

Die aktuellen Ereignisse seien komplett anders als alles andere zuvor, urteilte Grantham weiter. Schon vor der Corona-Krise hätten die USA und die Welt Probleme wegen des Klimas, der Bevölkerungsentwicklung und einem sinkenden Bruttoinlandsprodukt gehabt. Dazu habe sich das höchste Schuldenniveau der USA überhaupt gesellt. Und dann schlug das Virus zu.
Die Wirtschaft kontraktiere nun weit stärker als in der Great Depression – das Abrutschen des US-Bruttoinlandsproduktes habe jetzt nur vier Wochen gedauert, in der Großen Depression waren es vier Jahre gewesen. Und anders als 1989 Japan, 2000 Tech (U.S.) und 2008 (USA und Europa), handele es sich mit Corona nun um eine wahrhaft globale Angelegenheit. Bleibe die Hoffnung auf einen Impfstoff, doch gegen Viren gebe es keinen wirksamen Schutz. Zugleich habe die Welle der großen Insolvenzen erst begonnen, wie sich an Hertz zeige. Zwar habe der unvergleichliche Eingriff der Notenbanken die ökonomischen Realitäten überdeckt, doch das werde nicht lange anhalten. Mit Blick auf die Unruhen in den USA ergänzte Graham, „there are more things going wrong than normal“.

Möglicher Absturz von 50 Prozent

Und dann ließ er sich eine Hausnummer für einen möglichen Absturz entlocken: „if you look back in two to three years and this market turns around and drops 50%, the history books will say ‘That looked like one of the great warnings of all time. It was pretty obvious it was destined to end badly.“ Der Markt könne also gut 50 Prozent in den kommenden zwei bis drei Jahren verlieren.
GMO hatte übrigens zuvor in diversen Krisen richtig gelegen: So stieg der Fonds im Jahr 1987 bei einer 45fachen Bewertung aus dem japanischen Aktienmarkt aus – nur um mitanschauen zu müssen, wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 65 anzog. Bevor dann aber eine 30 jährige Abwärtsbewegung einsetzte. Im Jahr 1998 verabschiedete sich GMO beim 21fachen von der Tech-Bubble, die sich bis auf das 35fache aufblies – um dann um 50 Prozent abzustürzen. Und 2007 zog sich der Fonds von der Housing-Bubble zurück. Wir haben es also mit durchaus cleveren Analysten zu tun.
Unser Fazit: Klar ist, dass der Markt derzeit vor allem durch das Luftgeld der Federal Reserve und anderer Notenbanken getragen wird. Unklar ist jedoch, ob die Erholung der Realwirtschaft in den USA und auf dem Globus schon ernsthaft begonnen hat oder nicht. Bleibt das Datum 30. Juni – Sie sollten das Rebalancing bei Fonds ernsthaft im Auge behalten. Die Bernstein Bank wünscht erfolgreiche Trades und Investments!


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