Das Supreme-Court-Beben

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21.09.2020 –Special Report. Noch mehr Unruhe an der Börse: Nach dem Tod von Richterin Ruth Bader Ginsburg droht der Supreme Court als entscheidende Instanz ausgerechnet in der heißesten Präsidentschaftswahl seit dem Sezessionskrieg auszufallen. Eine lange unklare Entscheidung über die Besetzung des Weißen Hauses wäre Gift für Wirtschaft und Wall Street. Die US-Futures tauchen ab.

Neubesetzung im Supreme Court fraglich

Vielleicht erleben wir bald historische Verwerfungen an der Börse. Misla Matejka von JPMorgan urteilte, ein angefochtenes Wahlergebnis sei das größte Risiko für den Markt mindestens bis zum Jahresende. Diesmal könnte die Sache noch weit schlimmer ausgehen als bei Bush gegen Gore im Jahr 2000 – schließlich könnte das gesamte politische System paralysiert werden, die Corona-Krise verlange aber Entscheidungen und Stimuli. Ergo bereiten sich die ersten Anleger allmählich auf unruhige Zeiten vor. Goldman Sachs wies darauf hin, dass der November-Kontrakt für den VIX gerade erstmals in diesem Jahr über den für Oktober gestiegen ist.

Schlacht um den Supreme Court

Über die Nachfolge von Ginsburg muss der von Republikanern dominierte Senat entscheiden, es gibt aber mindestens drei republikanische Wackelkandidaten. Die Dems toben und fordern, die eine Neubesetzung erst nach der Wahl. Dass die Ernennung eines neuen Richters bis zur Präsidentschaftswahl am 03. November oder bis zur Auflösung des jetzigen Senats am 03. Januar gelingt, steht in den Sternen.

Drohendes Patt und Wahlchaos

Damit droht das Chaos, wenn der Supreme Court in einem Patt in einem wichtigen Swing State eine finale Entscheidung fällen muss. So war es im Jahr 2000 in Florida der Fall gewesen – das oberste Gericht urteilte damals final mit 5:4, dass eine Neuauszählung gestoppt wird. Und damit wurde George W. Bush Präsident. Aktuell gibt es zwar nominell fünf Konservative und drei Liberale, doch der Vorsitzende John G. Roberts hat schon häufiger mit den Linken gestimmt. Bei 4:4 würde das Urteil der unteren Instanz aufrechterhalten – im damaligen Fall von Florida hätte also neu ausgezählt werden müssen.
Jetzt ist die Sache noch schlimmer, in vielen Staaten droht ein äußerst knappes Wahlergebnis – und massenhafte Anfechtungen wegen der Briefwahl im Zuge von Corona. National Public Radio verwies darauf, dass im vorigen Jahr 23.000 Stimmen aus der Briefwahl bei den Primaries der Demokraten in Wisconsin wegen Betrugs, zu spätem Eintreffen oder nicht passender Unterschriften als fehlerhaft zurückgewiesen wurden – das war in etwa der Vorsprung von Trump gegen Hillary im Jahr 2016. Und bei den Vorwahlen der Dems in Pennsylvania wurden sogar 40.000 Stimmen abgelehnt, hier hatte Trump 2016 mit 44.000 Stimmen gewonnen.

Staatsstreich voraus

So könnte sich diesmal das Endergebnis der Wahl hinauszögern. Wie lange? Vielleicht bis zum Inauguration Day am 20. Januar – wenn es dann kein Endergebnis gibt, würde der House Speaker ins Weiße Haus einziehen. Wobei auch im Repräsentantenhaus neu gewählt wird und hier ebenfalls Chaos droht. Keine Seite wird weichen wollen. Die Linke schürt aktuell offen den Aufstand. House-Speaker Nancy Pelosi drohte indirekt mit einem neuen Impeachment gegen Trump. Auf Twitter tauchten Drohungen auf, falls der Senat den Richter-Posten neu besetze, werde es neue Ausschreitungen geben. Gerade haben sich rund 80 Bürgerinitiativen zur Gruppe “Protect the Results” zusammengeschlossen und erklärt, sie würden bis zum Letzten kämpfen, falls Trump eine Niederlage nicht akzeptiere oder vorschnell seinen Wahlsieg erkläre. Die Koalition ist indirekt mit der Democracy Alliance verbunden, die von George Soros mit 80 Millionen Dollar unterstützt wird.
Und auch die obskure Lobbygruppe Transition Integrity Project (TIP) bereitet sich unverhohlen auf einen Staatsstreich vor – vertreten sind hier demokratische, aber auch einige republikanische Eliten aus dem Sumpf von Washington. Die 2016 unterlegene Hillary Clinton hat Joe Biden schon aufgefordert, auf keinen Fall eine Niederlage einzugestehen. Die Democrats sehen sich schon als sichere Sieger und verweisen auf Umfragen, in denen Joe Biden laut RealClearPolitics im Schnitt mit gut 6 Prozent führt – eine höhere Quote als einst Hillary, und das schon seit Monaten. Eine Schlappe Bidens wäre somit scheinbar völlig unerklärlich und ein noch schlimmeres Trauma als die Niederlage von Clinton im Jahr 2016.

Snobs in the Swamp

Doch die Rechte verweist darauf, dass Republikaner selten mit Medien und Meinungsforschern reden und dass die Umfragen wieder falsch sind. Tatsächlich lag in der jüngsten Umfrage von Rasmussen vorige Woche zum ersten Mal überhaupt Trump mit einem Prozentpunkt landesweit vorne – und dies war das einzige Institut, das den Wahlausgang 2016 richtig vorhergesagt hatte. Tatsächlich hat die politmediale Meinungselite an der Ost- und Westküste längst den Kontakt zur Realwelt im Kernland verloren – viele Snobs in Washington D.C., wo Trump 2016 gerade mal rund 4 Prozent der Stimmen holte, sprechen nur vom „Flyover Country“ zwischen den beiden Küsten. Die Konservativen befürchten, dass die gleichen Kader, die Farbige Revolutionen im einstigen Ostblock und den Arabischen Frühling befeuerten, nun in den USA zündeln werden.

Drohender Notstand

Trump kündigte übrigens vor der Presse an, er werde im Falle seines Wahlsieges Unruhen gnadenlos niederschlagen. Damit ist ein Notstand im Land möglich. Wir vermuten: Die schweigende Mehrheit wird im Worst Case bewaffnet einschreiten. Die Kommunisten der Antifa kommen bei Familien aus Polen, Vietnam, Russland oder Kuba überhaupt nicht gut an. Und das „Defund the Police“ der Demokraten sorgte bei den jüngsten Plünderungen für einigen Zorn.
Das Fazit aus alledem: Ein offener Sitz im Supreme Court macht die Lage im Land und an der Börse noch ungemütlicher. Sollte jedoch Trump schnell eine Neubesetzung schaffen, zumal mit einer Frau und gar mit einer Latina, dann wäre dies ein enormer Erfolg für ihn, der die Börse beruhigen dürfte. Dann dürfte der Supreme Court auf seiner Seite stehen. Und mehr Frauen und Hispanics dürften dann Trump wählen. Falls es wirklich neue Unruhen nach der Neubesetzung gibt, dann spielt auch das in die Hände der Law-and-Order-Partei Republikaner. No-win für die Democrats also. Die Bernstein-Bank wünscht Ihnen erfolgreiche Trades – wir raten wegen der explosiven Lage in den USA zur Vorsicht!


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